Vor gut einem Jahr war ich mit der Besitzerin des Blumencafés Offenburg MamaMaria unterwegs und durfte ihr über die Schulter schauen. Früh morgens haben wir uns gemeinsam auf den Weg zum Blumengroßhandel nach Karlsruhe gemacht und anschließend ging es in den Laden. Aber lest doch selbst …
Zuerst nur Blumen. Dann noch Dekoration. Nun verbindet sie Rosen und Schi Schi mit Kuchen und Kaffee. Wie eine Floristin das alles unter einen Hut bekommt?
Leise singt eine Stimme aus dem Lautsprecher die Jazz-Version von Oasis Wonderwall. Gemurmel und Gekicher dringen aus einer Ecke. Zwei Frauen sitzen bei einem Glas Vino und Himbeer-Torte. Der Boden glänzt mit verwaschenen Garagenboden-Charme in grau. In der Mitte des Raums stützt eine Säule im industriellen Look des 18. Jahrhunderts die Decke.
Ein kurzes Lächeln von einem Herrn mit brauner Schürze hinter dem Tresen. Ein grüßendes Kopfnicken.
Hallo! Setzen Sie sich ruhig schonma hin.
Aus dem offenen Raum nebenan hört man das Schnippen einer Gartenschere. Ein heller Holztresen steht in der linken Ecke des Nebenraums. Auf dessen Ablage: Kerzen, Holzhirsche und weiße Rosen in verspielten Glasvasen. Dahinter erkennbar ein goldbrauner Schopf mit Kurzhaarfrisur. Das Schnippen hat aufgehört. Der Kopf mit dem kurzen Haar schaut auf. Er gehört zu einer Frau mittleren Alters. Sie steht hinter dem Holztresen an einem großen Arbeitstisch. Mit ihrer Hand fährt sie kurz über ihre graue Jeans bevor sie sie zur Begrüßung reicht.
Guten Tag, ich bin Mama Maria. Naja eigentlich Marliese Krämer. Schauen Sie sich ruhig etwas um.
Geschickt zwirbelt sie etwas Bast mit einem grünen Seidenband zusammen. Wickelt es dann um eine bauchige Stein-Vase.
So ein Gesteck, aber mit anderen Rosen? Natürlich geht das. Wann s fertig sei? Wenn Sie n Moment warten: sofort.
Was niemand sieht und jeder erwartet
Einmal die Woche beginnt sie ihren Arbeitstag um 5 Uhr morgens. Sie sitzt in ihrem silbernen Mercedes Kastenwagen, draußen noch schwarz die Nacht, und braust über die Autobahn. Ihr Ziel ist Karlsruhe. Auf dem Blumengroßmarkt erledigt sie ihren wöchentlichen Einkauf. Für Mamamaria und auch für ihren Floristikbetrieb. Den hat sie seit 5 Jahren in Oberkirch. Es ist November und viel zu warm für diese Zeit. Sie schaltet die Sitzheizung im Auto aus.
Kaufen Sie etwas für einen speziellen Auftrag? –Nein.
Haben Sie eine Liste, was sie kaufen möchten? –Nein.
Sie schnappt sich einen der Einkaufswagen mit breiter Ablagefläche, wie man sie aus dem Baumarkt kennt. Schiebt ihn unter lautem Rattern in die Halle. Birkenrinde, Fichten- und Tannenzweige landen bei Mama Maria auf dem Wagen.
Wonach wählen Sie aus, was Sie kaufen werden? – Nach der Jahreszeit und danach, was mir selbst gefällt.
Mit schnellen Handgriffen packt sie die Ware. Zweite Fuhre: Rosen aus den Niederlanden, Amaryllis mit besonders langem Stiel, etwas Blattwerk und grüne Pinienzapfen.
Ich brauch noch irgendein Bäumle.
Drei Reihen unterschiedlicher immergrüner Nadelbäumchen. Die Auswahl ist groß. Zu ihrer Rechten: hellgrüne Zypressen. Zu ihrer Linken: dunkelgrüne Fichten. Alle nur so groß wie ein Gartenzwerg. Immer wieder zieht sie einzelne Pflanzenpaletten heraus. Der Blick schweift über das Stämmchen, die Hände streichen durch das Blattwerk.
Die Leute wollen einfach immer frische Pflanzen und am besten sollte da jedes Bäumle wies andere aussehen.
Letzte Runde durch das bunte Pflanzenmeer. Immer das gleiche Prozedere: grüßen, nicken und lächeln. Man kennt sich. Kurze Worte, die im Gebläse der Entlüftung untergehen. Pflanzen auf dem Einkaufswagen werden gezählt, Rechnung gestellt und bezahlt.
Wo kaufen Sie die anderen Dinge für Ihren Laden? Also Dekoration und Zutaten für die
Kuchen? – Einmal im Halbjahr fahr ich zum Großmarkt in die Pfalz. Da kauf ich Bänder und Anderes für die Gestecke, aber auch das schönen Schi Schi.
Hinterm Tresen, in der Küche und am Pflanztisch
Zurück im Café. Neben dem Herrn in Schürze steht ein jüngerer Mann. Auch mit brauner Schürze. Der eine bedient die Kaffeemaschine und das Ratschen des Mahlwerks dröhnt über die Musik. Der andere schneidet Marmorkuchen an und verteilt zwei großzügige Stücke auf rosa Porzellan. Es ist ihr Sohn, der Koch, der sie unterstützt, wenn er die Zeit dazu hat.
Mein Mann hilft mir auch, wenn er grade nicht arbeiten muss. Gell, Jörg?
Kopfnicken. Er klopft den Espresso-Einsatz der Maschine aus. Säubert ihn mit einem Pinsel und dreht ihn mit einem Ruck wieder ein.
Also bis der Laden mal läuft.
Jörg arbeitet mit ruhiger Hand. Fährt mit einem feuchten Tuch über die Kaffeemaschine. Mit einem anderen über das glänzende Edelstahl der Arbeitsfläche. Bückt sich und holt eine Flasche Weißwein hervor. Klack. Sein goldener Ring schlägt gegen die Flasche. Mit dem Handrücken testet er die Temperatur des Weins. Nicken. Er gießt den blassgelben Rebensaft in eine Karaffe. Bringt sie zu den Frauen mit der Himbeer-Torte.
Weißer Burgunder aus Oberkirch. Nachmittags darf man sich auch mal n´ Gläschen gönnen.
Marliese tritt hinter den Tresen und streicht im Vorbeigehen mit einer Hand über den Rücken ihres Mannes. Er schaut ihr kurz nach. Sie geht in die Küche. Butter, Mehl, Zucker und eine Prise Salz gibt sie, nach Augenmaß abgewogen, in ihre rote Küchenmaschine. Direkt daneben steht auch noch ein Thermomix.
Das Ding kostet so viel wie ein Kleinwagen. Aber wenn ich hier mal allein im Laden stehe, bin ich auf jede technische Hilfe angewiesen.
Während die Maschinen rühren, kneten und rattern, fettet sie die Kuchenform ein.
Ich liebe das Kuchenbacken und Tortenkreieren. Wenn’s überall gut riecht.
Mama Maria bestreut einen frischen Apfel-Streusel-Kuchen mit feinen Mandelblättchen. Trägt den Kuchen zum Tresen und stellt ihn auf eine Glasplatte. Behutsam stülpt sie mit ihrer rechten Hand eine Haube über den Kuchen. Zeitgleich erklingen die Ladenglocken, die in einer Art Mobilee über der Eingangstür als Dreiklang hängen.
Guten Tag, suchen Sie etwas Bestimmtes? – Ich hätte gern n Gesteck für n Tisch. Mit Röschen, das wäre ganz toll.
Wieder hinter dem Pflanztisch. Marliese beschneidet die Stiele der Rosen. Greift blind zur Schere, die immer rechts von ihr liegt. Alles an seinem Platz. Sucht erst eine kleine Haselnuss aus und hält sie an das längliche Tablett vor ihr. Nimmt die Hasel weg. Tauscht sie mit einem Holzsternchen aus. Wenige Minuten später ist der Tischschmuck fertig. Aus Rosen, anderen Naturmaterialien und etwas Dekoration.
Also ich nenne das immer so: Schi Schi.
So etwas wie ein Familienbetrieb
Heute Morgen im silbernen Mercedes Kastenwagen hat sie von „Früher“ gesprochen.
In Oberkirch hab ich mich für die Ausbildung als Floristin beworben. Im ersten Versuch hat’s nicht geklappt. Aber ich wollte schon immer was mit Blumen machen. Drum habe ich mich einfach ein Jahr später noch mal beworben.
Aufgewachsen ist sie auf einem Hof. Mit einem großen Bauerngarten. Voller Blumen. Mit Liebe zum Handwerk und zur Natur.
Meine Mama ist erst vor kurzem verstorben. Darum wollte ich den Laden zuerst nach ihr benennen.
Jetzt steht Marliese in ihrem neuen Laden. Der nach ihr selbst benannt ist. Sie lebt und liebt ihr neues Konzept aus Rosen, Schi Schi und Kaffee. Richtet neue Blumensträuße und Gestecke für ihre Bistro-Tische. Unterhält sich mit den Gästen.
Danke Marliese, war wieder schön hier. Ich nehm’ noch n’ paar von den Tulpen mit, bitte.
Packt Tulpen in Papiertüten ein und versieht sie mit ihrer kleinen Visitenkarte. Die hat ihr Sohn für sie gemacht. Noch einmal streicht sie das Papier glatt.
Ich liebe meine Arbeit einfach. Mit allem was dazu gehört: Kuchen backen, Laden putzen, Kaffee kochen, Gäste bedienen, dekorieren und Blumengestecke binden. Auch wenn es stressig ist mit Familie, Haus und zwei Läden.
Ihre Kinder sind erwachsen. Im Blumen & Café hilft die ganze Familie mit.
Also bis der Laden mal läuft.
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Danke für den wundervollen Tag, den leckeren Kaffee und die wohlriechenden Rosen MamaMaria! <3